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DIE WELT FORUM 20. April 2007 Die Hauptschule ist ein Skandal Von Reinhard Kahl
,,Hauptschulen werden gebraucht“, argumentierte die hessische Kultusministerin an dieser Stelle, denn ,,das Abschaffen der Hauptschule löst die Probleme der Hauptschüler nicht.“ Wer sind denn heute ,,die Hauptschüler?“ Lang ist’s her, dass sie die Mehrheit stellten und sich als die künftigen Handwerker und Facharbeiter sehen konnten. Heute sind es die Kinder mit Schwierigkeiten beim Lernen. Es sind die Lustlosen und früh Beschädigten. Von den deutschen Schülern gehen nur noch zehn Prozent dorthin. In der Frage von Frau Wolff liegt ja bereits der Hinweis auf den Kern der Misere. Hauptschüler sind inzwischen durch ihre Probleme definiert. Aber kann denn Bildung in einer Schule gelingen, auf die die Schüler nicht stolz sein können, die nicht zumindest Normalität verspricht? Die frühere Volksschule wurde Ende der 60iger Jahre just in dem Augenblick umgetauft, als sie aufhörte die ,,Hauptschule“ zu sein. Mit der Abkehr von der volkstümlichen Bildung sollte ihre Pädagogik modernisiert und mit einem neuen Namen sollte sie attraktiver werden. Das konnte ihre Erosion nicht aufhalten. Aber sie verlief uneinheitlich. Bezeichnend ist, dass dort, wo sich die Hauptschule noch am längsten als die Schule der Mehrheit gehalten hatte, in Bayern und Baden-Württemberg, die Pisaergebnisse insgesamt am besten waren. Die Gruppe der bei Pisa als ,,Risikoschüler“ eingestuften blieb dort kleiner, weil sich Schüler eben im Guten wie im Schlechten gegenseitig anstecken. Die Möglichkeit etwa über berufliche Gymnasien Anschlüsse zu finden, ließ diese Schule nicht zur Sackgasse werden. Nun ist aber bei Kindern ,,Hauptschüler“ überall ein Schmähwort geworden. Selbst Hauptschullehrer will keiner mehr sein. So sind von den Referendaren in Baden-Württemberg nur noch drei Prozent überhaupt bereit, dort zu unterrichten. Viele ziehen die Arbeitslosigkeit einem Ort vor, den sie offenbar für eine Art Vorhölle halten. Darf es so eine Schule, die Kinder und Jugendlichen stigmatisiert, geben? Die verordnete Abschaffung der Hauptschule würde vermutlich darauf hinaus laufen, dass nur die Schilder ausgewechselt werden. Wie bei vielen Großreformen könnten sich bald die unbeabsichtigten Nebenfolgen als wirksamer herausstellen als die angestrebten, dann aber häufig verfehlten Ziele. Statt die Hauptschule in die Realschule zu integrieren, könnte die Realschule in den Sog der Verlierer- und Restschule geraten. Diese Frage wird sich Wolffs Kollegin in Hamburg, Alexandra Dinges-Dierig, ebenfalls CDU, stellen müssen. In Hamburg wird es bald ein zweigliedriges Schulsystem geben, bestehend aus der neu erfundenen ,,Stadtteilschule“ und dem Gymnasium. Was könnte man tun? Von den guten Hauptschulen lernen! Davon gib es nicht wenige, zum Beispiel die Bodensee – Schule in Friedrichshafen, der Bernhard Bueb attestierte, dort werde ein besserer Unterricht gemacht als im Edelinternat Salem, dem er 30 Jahre vorstand. Aber man wird an der famosen Bodensee Schule keinen Lehrer finden, der die Einrichtung ,,Hauptschule“ verteidigt. Warum sollen sich Schüler, Lehrer und Eltern dauernd ein Etikett aufkleben lassen, auf dem ,,drittklassig“ steht? Es gibt mehr und mehr Schulen mit Eigensinn. Jede der fünf Schulen, denen Anfang Dezember Bundespräsident Horst Köhler den Deutschen Schulpreis verlieh, hat ihre eigene Geschichte, die allerdings manchmal auch gegen Behörden durchgesetzt wurde. Diese Schulen sind nicht nach einem Modell geklont. Viele von ihnen sind untereinander in Kontakt, haben voneinander gelernt und dadurch manche Ähnlichkeit. Sofort springt an ihnen ,,die Schönheit der individuellen Gestalt“ ins Auge, die Hartmut von Hentig ,,dem Ideal der Einheitlichkeit“ entgegen setzt. Diese Schulen sind institutionelle