Nun geht es in die zweite Woche von Mini-München. Weiter stürmen jeden Morgen die Kinder in die Zenith-Hallen in München Freising, als gäbe es da was umsonst. Die Begeisterung lässt nicht nach. Die Kinder sind, wie soll man es sagen, von einem guten Geist erfüllt.
Immer deutlicher wird, dass tätig zu sein das natürliche Element von Menschen ist und dass die meisten Kinder diesbezüglich etwas ausgehungert sind. Es klingt ja paradox, dass sie ausgerechnet in den Ferien an Mini-München loben, dass sie hier arbeiten dürfen und selbst bestimmen, was sie machen. Sie verdienen nur Spielgeld. Mit dem gehen sie ins Kino, bestellen sich im Restaurant „Fette Sau“ – natürlich von Kindern betriebenen – was zum Essen und zum Trinken. Sie können sogar ein Grundstück erwerben, auf dem sie ein kleines Haus bauen, so wie die Gruppe von 6 oder 7 Jungen, die wir heute kennengelernt haben.
Sie haben ihren MiMü-Verdienst zusammengelegt und ein Grundstück erworben. Dort geht es mit Freude am Tun weiter. Sie bauen eine Bude. Dort wollen sie Crepes verkaufen. Es geht ihnen natürlich auch ums Geld, aber überwiegend insofern das Geld den Folgen ihrem Handeln Anschlüsse und Dauer ermöglicht. Das Geld ist die Brücke von einem Schauplatz oder Gewerk zum nächsten. Das Geld ist ein Medium. Es verbindet. Um die pure, „kapitalistische“ Bereicherung geht es bei diesem Geldverdienen weniger.
Nein, mit dem Kapitalismus, wie manche Kritiker von Mini-München meinen, hat das alles wenig zu tun. Das größte Problem, das der Kapitalismus schafft, ist im Kern die Verdinglichung und Entfremdung der Lebenswelt. Dinge und Tätigkeiten verlieren an Eigenwert und Gebrauchswert. Sie gelten mehr und mehr als Tauschwert. Um den zu steigern werden die Dinge und die Lebenszeit verwertet und dabei wird ihr Eigenwert entwertet. So kann der Reichtum wachsen und zugleich das Leben verarmen. Diesen Kapitalismus erleben die Kinder eher in der Schule, wenn dort ihre Erfahrungen und Fertigkeiten nur gelten, wenn sie in definierbares Wissen geformt und dann mit Zensuren ähnlich bewertet werden, wie die Waren und Menschen auf dem Markt. Mit diesem mehr und den Alltag, auch den von Kindern, zersetzenden Kapitalismus haben Handel und Wandel bei Mini-München gar nichts zu tun.
Min-München ist dazu genau der Gegensatz. Die Kinder stoßen zu den Dingen, zu den Phänomenen selbst vor. Ähnlich unmittelbar werden für sie ihre Tätigkeiten. Deshalb sind sie so begeistert. Sie verwandeln die Dinge. Das ist Arbeit. Und Lernen ist, dass sie sich die Dinge und die Erfahrungen und das Wissen anverwandeln. Dabei werden sie nach ein paar Tagen einen Kopf größer. Diesen Satz haben wir schon mehrfach gehört. Eben sagte das wieder eine Redakteurin des Bayrischen Rundfunks. Sie macht hier mit den Kindern eine tägliche Radiosendung für Mini-München und hat ihren Sohn mitgebracht, der in die erste Klasse geht. In der Schule, sagt sie, begann er sich mehr und mehr zu langweilen und war frustriert, weil er sich nicht mehr wie im Kindergarten frei bewegen und seine Sache machen konnte. Hier ist er glücklich, emsig, ist ihm nicht langweilig und nach ein paar Tagen „einen Kopf größer.“
Und was passiert, wenn Kinder ihre Sachen machen, ihr Ding finden und weiter und weiter machen? Die Redakteurin selbst war als achtjähriges Kind erstmals bei Mini-München dabei. Da wollte sie nichts anderes als in der Küche der „Fetten Sau“ zu arbeiten. In den folgenden Mini-München Jahren kam für sie anderes hinzu. Sien Ding zu finden ist keine lineare oder einmalige Angelegenheit.