DIE ZEIT Porträt Enja Riegel

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Die Zeit – Chancen : Der Traum einer Lehrerin

DIE ZEIT
Der Traum einer Lehrerin
Mit fast 70 möchte die Reformpädagogin Enja Riegel noch einmal eine neue Form von Schule schaffen

Von Reinhard Kahl Kurz vor Weihnachten wurde sie von einem Medienkonzern angerufen. Man überlege, ganz neue Schulen zu gründen, und benötige dafür ihren, Enja Riegels, Rat. In Österreich gibt sie den schon der Bildungsministerin. Fast jeden Tag könnte sie in Deutschland irgendwo einen Vortrag halten. Auch große Säle sind überfüllt. Aber jetzt muss sie erst mal Termine absagen, denn beim Toben mit der vierjährigen Enkeltochter hat sie sich die Hand gebrochen. Einmal die Woche fährt sie nun mit dem komplizierten Bruch von Wiesbaden nach Bonn zum Handchirurgen. Der gilt als Koryphäe, kommt aus Afghanistan, und es wird niemanden wundern, dass Enja Riegel mit ihm in seinem Heimatland eine Schule aufbaut. Den Arzt hat sie vor vier Jahren in einer Rehaklinik kennengelernt. Da waren sie beide Patienten. Vorangegangen war ein Herzinfarkt bei ihrer feierlichen Verabschiedung als Direktorin der Helene-Lange-Schule. Die vornehme Mutter prügelte ihr den Stoff buchstäblich ein Zwei Jahre vor dem Erreichen der Altersgrenze hatte sie sich pensionieren lassen. Über fast zwanzig Jahre hatte sie die Helene-Lange-Schule in Wiesbaden zur wohl eigenwilligsten und vielleicht auch erfolgreichsten im Land gemacht. Am 10. Dezember erhielt die Schule mit vier anderen aus der Hand von Bundesbildungsministerin Annette Schavan den Deutschen Schulpreis. Doch die Verwirklichung ihres Lebenstraumes hat die 68-jährige Enja Riegel noch vor sich. Der Traum liegt in Klarenthal am Rande von Wiesbaden auf einem traumhaften, an einen botanischen Garten erinnernden Grundstück. Die dort Jahrzehnte ansässige Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau des Landes Hessen wurde geschlossen. Das war kurz nachdem Enja Riegel ihren Abschied von der Helene-Lange-Schule genommen hatte. 66.000 Quadratmeter mit seltenen Bäumen, einem Rosengarten, Treibhäusern und vielen Gebäuden wurden vom Land zum Kauf angeboten. Für die Pädagogin ein Wink, ihr pädagogisches Lebensziel zu vollenden. Sie sah ein Theater im Zentrum eines Campus Klarenthal, umgeben von wohnlichen Unterrichtshäusern, Werkstätten und Labors. Denn eigentlich, zitiert sie ihren Mentor Hartmut von Hentig, braucht eine Schule nur Theater und Science, alles andere ergibt sich. Während der Pubertät soll der übliche Unterricht gedrosselt werden. Theaterprojekte würden wie bereits in der Helene-Lange-Schule über Wochen gehen. Jugendliche sollten auch ein Gast- und Logishaus für Besucher ausbauen und bewirtschaften. So entwarf Riegel ein Haus des Lernens von der Kinderkrippe bis zum Abitur. Auch eine pädagogische Akademie soll dazugehören. An Geld und die Niederungen des Alltags dachte sie erst einmal weniger. Sie war sich sicher, der Abschied von der Lernvollzugsanstalt liege in der Luft.

27.12.2007