Deutschlandfunk Kultur heute Föderalismusstreit

Fruchtbarer Wettbewerb oder Schaden für die Bildung?

Reinhard Kahl über die Föderalismusreform

Moderation: Karin Fischer

Die Föderalismusreform stellt die größte Verfassungsänderung in der Geschichte der Bundesrepublik seit 1949 dar. Doch besonders die geplante Zuständigkeit der Länder für die Bildung stößt auf Widerstand. Bildungsexperte Reinhard Kahl befürchtet, dass die Zersplitterung und die schwierige Selbstorganisation verstärkt werden. Vor allem aber in der Forschung sei eine Provinzialisierung zu befürchten, betonte Kahl.

Karin Fischer: Die Föderalismusreform war und ist ein Kraftakt, möglich gemacht nur durch die große Koalition. Die wird die Reform, um die jahrelang gekämpft wurde, am Freitag ins Parlament einbringen. Was uns daran interessiert, sind die Auswirkungen auf Kultur und Bildung, und diese Frage geht an meinen Kollegen Reinhard Kahl, was soll sich konkret im Bildungsbereich ändern?

Kahl: Ach, es wird sich so viel gar nicht ändern. Es wird eine bestimmte Sache festgeschrieben:. wir haben ja den Föderalismus in der Bildung, das heißt die Bundesländer entscheiden. Und es gibt gewisse Rahmenkompetenzen für den Bund, die werden jetzt zurückgegeben an die Länder.

Fischer: …was konkret heißt, der soll sich bitteschön nicht mehr so viel einmischen.

Kahl: Der soll sich bitte nicht so viel einmischen. Das kommt ja aus einer Zeit, da waren die Länder entweder eher CDU und der Bund war SPD – oder umgekehrt, und die haben sich gegenseitig blockiert. Und das hat sozusagen diesen deutschen Kleinkrieg gebracht. Der soll nun beruhigt werden. Aber man kann nicht sagen, dass es hier eine tragende Idee gibt. Es ist im Grunde ein Kuhhandel. Die Länder sollen die Bundesgesetze nicht mehr so blockieren können wie bisher. Dafür kriegen die Länder in der Bildung die volle Kompetenz. Also was es bisher gab, dass der Bund für die Universitäten eine Rahmgesetzgebung machen konnte, fällt weg. Was es bisher gab, dass über so genannte Modellversuche der Bund zum Beispiel ein Programm für Ganztagsschulen machen konnte, das fällt weg. Und es fällt eine Perspektive weg, dass wir uns in eine Richtung entwickeln, wie die etwas glücklicheren Länder in der Bildung, Kanada, Finnland oder Schweden. also der Weg, dass im Grunde die Zentrale moderiert und dass die Schulen, die Gemeinden entscheiden. Das – wenn man so will – Mittelmanagement, die Länder wird nun gestärkt. Und die Frage ist, braucht die Bildung die Länder oder brauchen die Länder die Bildung?

Fischer: Ich wollte noch einmal etwas konkreter werden. Also es gibt keine gemeinsame Bildungsplanung mehr von Bund und Ländern. Die Länder werden gestärkt – das haben Sie gesagt – auch in ihren Entscheidungen. Führt das denn zu mehr Eigenständigkeit auch der Institutionen selbst, was ja zu begrüßen wäre, oder eher zu einer Zersplitterung der Bildungslandschaft, die wir in Teilen heute schon haben, die sich aber eventuell verstärken könnte, wenn der Student aus Bayern nicht mehr in Niedersachsen studieren kann, weil er deren Eingangsvoraussetzungen nicht erfüllt?

Kahl: Naja gut, das ist eine politische Frage und die ist offen. Also auch verquere Entscheidungen können am Ende zur positiven Entwicklung führen. Das kann man nicht wissen. Aber es sieht zunächst doch so aus, dass die Zersplitterung und die schwierige Selbstorganisation verstärkt werden. Also wir haben 16 Länder. Die müssen über die Kultusministerkonferenz sich einigen. In der Kultusministerkonferenz gibt es ein Vetorecht. Das heißt, wenn ein Land nein sagt, findet eine Sache nicht statt. Es sieht sehr nach Blockade aus.

Fischer: Und nach Pisa hatte ich den Eindruck, dass die Diskussion darauf zuläuft, dass man doch eher eine etwas allgemeinere, allen gemeinsame Politik der sozusagen gleicheren Zustände bevorzugen würde.

Kahl: Ja, das wäre auch eine Option. Und da könnte man sich an Ländern orientieren, die es machen. Man muss sehen, dass die skandinavischen Länder zum Beispiel in den letzten 15 Jahren im Grunde die politische Zentrale eher etwas entmachtet haben. Aber sie haben nicht so etwas wie die Länder, sie haben den Kommunen, den einzelnen Schulen, den einzelnen Universitäten sehr viel Autonomie gegeben. Die Zentrale sorgt für die Ressourcen und die Zentrale sorgt für einen, na sagen wir mal, konsensorientierten Diskurs. Und daneben gibt es ein drittes Element, das nennt man Evaluation, dass von der Seite freundlich in Schulen und Hochschulen reingeguckt wird, was wirklich passiert. So ein klares Modell würde uns weiterbringen. Jetzt haben wir Folgeprobleme von Folgeproblemen, denn niemand hat die Föderalismusreform ja gemacht, um etwas an der Bildung zu ändern, sondern man hat es gemacht, um die Machtbalance zwischen Bund und Ländern auszutarieren.

Fischer: Ein Problem, das wir vor allem in der Kultur haben, ist ein eher symbolisches, nämlich das der Repräsentanz in Richtung Brüssel, in Richtung Europa. Wird sich da etwas ändern? Oder wird da eventuell auch ein Problem verschärft?

Kahl: Ach, ich weiß nicht, ob es bei der Repräsentation so viele Probleme gibt. Aber bei den Universitäten, bei der Forschung gibt es Probleme, weil da geht es immer häufigr um sehr große internationale Projekte, und wie wird Deutschland da repräsentiert? Wenn es von der Kultusministerkonferenz repräsentiert wird, wo jedes Jahr das Präsidium wechselt, dann sitzt da in jedem Jahr ein anderer. Da kommt gar keine richtige Verhandlungskompetenz auf. Da braucht man Spezialisten, die eine Perspektive von fünf, sechs, zehn oder vielleicht auch 20 Jahren haben. Also das, was von vielen Leuten auch jenseits des politischen Hickhacks kritisiert wird, wie zum Beispiel heute von Herrn Landfried, der lange Rektor war einer Universität und Präsident der Rektorenkonferenz, dass das ganze auf Provinzialisierung hinausläuft, das muss man befürchten.