27. 9. taz Kommentar Wulff & die KMK

TROTZ WULFF – POLEMIK STIMMT: DIE KULTUSMINISTERKONFERENZ SCHADET

Vom Schaden des Bildungsföderalismus

Christian der Große zerschlägt eigenhändig den Knoten der Kultusministerkonferenz (KMK). Ohne Wissen, ohne Abstimmung, einfach nur so, aus purer Entschlossenheit. „Ich kündige.“ Man sollte Wulff nicht zu viel politisches Kalkül unterstellen. Die Reaktionen seiner CDU-Kollegen aus Hessen und Stuttgart zeigen: Da ist in Hannover keine Strategie, außer der des Egos. Profilierungspanik.

Beim von Wulff forcierten Rechtschreibkrieg klang er ähnlich martialisch. Den unfähigen Kultusministern das Heft aus der Hand nehmen und so. Nun ist Populismus-Projekt 1 im Rohr krepiert. Was bleibt, ist die deutsche Bildungskrise. Auf in den Ring. Wer setzt die Tagesordnung? Wer zeigt den Mut des Entscheiders? Nur: Abends in Tagesthemen wirkte der Bär aus Osnabrück nur noch tollpatschig, als Anne Will ihn aufs Glatteis führte. Kurz vor dem Einbruch fiel ihm ein, nein, nein, abschaffen wolle er die KMK ja gar nicht, worauf der Austritt eines Landes hinaus liefe. Nur erneuern. In der KMK solle künftig nicht mehr die Einstimmigkeit (Vetoprinzip) gelten. Aber was das heißt, hatte er sich auch noch nicht überlegt. Denn wenn Länder durch Mehrheitsbeschlüsse überstimmt werden können, dann würde aus dem Abstimmungs- und Handlungsvermeidungsorgan KMK eine Bildungsregierung. Dann bestimmten Mehrheiten über unterlegene Bundesländer. Das wäre das Ende des Föderalismus.

Wir sollten uns an den erfolgreichen Bildungsnationen orientieren. Deren Modernitätsformel ist einfach: Es gibt eine Zentrale, die den Konsens über Ziele und die Ressourcen organisiert. Und dann alle Macht den Schulen, Hochschulen und allen anderen vor Ort Handelnden. Die dritte Instanz heißt Evaluation: der Öffentlichkeit Rechenschaft geben. Diese moderne Dreifaltigkeit braucht keinen kleinstaatlichen Bildungsföderalismus. Der ist nämlich das Problem. Die KMK ist ein Symptom. Wir brauchen unter dem Dach eines prinzipiellen Konsenses vielfältige Bildungslandschaften mit eigenwilligen Schulen. Was wir haben, das ist ein regulierungswütiger Zentralismus. Und den gleich sechzehn Mal. Dessen Kopfgeburten müssen in der KMK ewig abgestimmt werden. Daraus wird nie was.“ REINHARD KAHL

taz Nr. 7472 vom 27.9.2004, Seite 11, 48 Zeilen (Kommentar), REINHARD KAHL