…und nun die Lehrer /OECD Lehrerstudie

Reinhard Kahl

…und nun die Lehrer

OECD Lehrerstudie wird veröffentlicht

 

Schon wieder eine Schelte für die Deutschen Schulen. Diesmal sind die Lehrer dran. Und abermals ist es die OECD, die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die kritisch und im Ton etwas verwundert auf dieses Land blickt. Seine Lehrer sind nur was die Bezahlung betrifft Weltspitze. Um ihre Professionalität ist es nicht gut bestellt.

 

Diese OECD Lehrerstudie „Attracting, Developing and Retaining Effective Teachers“ – also wie man wirksame Lehrer bekommt, fördert und behält – kann man nicht mit der großen Schülerstudie Pisa vergleichen, für die Hunderttausende von Fünfzehnjährigen alle drei Jahre weltweit getestet werden. Die Lehrerstudie basiert auf Analysen der Bildungssysteme. Experteninterviews wurden ausgewertet. Zur Beurteilung der 24 teilnehmenden Länder fuhren internationale Experten durch die Welt.

 

Schon im vergangenen Dezember zitierten Zeitungen aus dem Reisebericht der Experten, die durch Deutschland gefahren waren. Da war wenig schmeichelhaftes zu lesen: „Schule und Unterricht seien geschlossene Veranstaltungen. Vermisst wurde auf allen Stufen des Systems die Rechenschaftslegung. Weder Lehrer noch Schulen müssten in Deutschland darüber Auskunft geben, was sie leisten und ob sie ihre Ziele erreichen.

 

Seit März liegt der deutsche Teil der internationalen Studie der Kultusministerkonferenz vor. Auf eine Stellungnahme konnten sich die 16 Minister offenbar nicht so leicht einigen. Aber morgen werden nun die im Manuskript 77 Seiten füllenden OECD Bemerkungen zu Lehrern in Deutschland in Berlin von den Kultusministern der Öffentlichkeit vorgestellt.    

Aber in der fiebrigen deutschen Bildungserregung schreiben seit Tagen schon einige Zeitungen über die Studie und auch uns liegt das Dokument vor, das mit Sicherheit wieder für Wirbel sorgen wird. Gerade in Deutschland, wo die meisten Lehrer lieber belehren, als die Schüler in eine gute Kultur des Lernens hinein zu ziehen, wuchern ja die Ressentiments.

So ist es nützlich zu unterscheiden zwischen „den Lehrern,“ über die jeder sein Urteil hat und den institutionellen Vorgaben für die Lehrerausbildung und für den Beruf.

Deutsche Lehrer, so die OECD werden in ihren Fächern gut und vor allem sehr lange ausgebildet. Aber reicht ein Studium der Germanistik, der Chemie oder Geographie? Nein! Zu kurz kommt, so die Gutachter der OECD, dass Lehrer ja nicht nur Fächer, sondern vor allem Schüler unterrichten sollen. Die Lernkompetenzen der Schüler werden zu wenig gefördert. Das kooperative Lernen, also die Zusammenarbeit der Schüler werde nur schwach stimuliert. Viel Einwegkommunikation herrscht im Klassenzimmer und das selbstgelierte Lernen werde ungenügend  angeregt. Ließt man diesen Mangelkatalog, dann erscheinen die Schwächen beim Lernen der Schüler wie ein Spiegel des deutschen Lehrerberufs. Hauptmangel ist Kooperation. Aber der Einzelkämpfer ist nicht mehr zeitgemäß nicht als Lehrer und schon gar nicht als Schüler.

Der Schwede Mats Ekholm war einer der internationalen OECD Experten, deren Bericht morgen veröffentlicht wird. Nach einer anderen Reise durch Deutschland sagte er:

Einspielung 1  Mats Ekholm

„In  Deutschland sehe ich mehr einen befehlsführenden Lehrer. Da bin ich erstaunt, wie man in Deutschland die Zukunft vorzubereiten versucht. Ich sehe, dass man in Deutschland mit seiner Schule mehr für alte Zeit arbeitet..“

  

Die Deutschen Lehrer gehören, wie gesagt, weltweit zu den am besten verdienenden und zugleich zu den unzufriedensten.

Es ist eine Tatsache: viele Lehrer in Deutschland sind enttäuschte Fachleute. Wie Schüler lernen, das haben sie nicht studiert und was es heißt zu lehren, kam im Studium auch nicht vor. Um eine Berufswissenschaft, wie sie etwa Mediziner haben, sind Lehrer in ihrer Ausbildung betrogen worden, sagt der ehemalige Direktor des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung, Wolfgang Edelstein. Dann unterrichten sie, wie sie es Schüler selbst gelernt haben. So reproduziert sich ein überholtes Schulsystem.

 

Kurz bevor im Dezember die zweite internationale Pisa Studie erscheint, steht uns erst mal in den Medien eine Debatte über Lehrer ins Haus. Man muss fürchten, dass da kollektiv alte Rechnungen beglichen werden. Aber wenn sich der Bildung in diesem Land etwas ändern soll, wird es Zeit abzurüsten. Wie sonst soll die Schule endlich als Lernort kultiviert werden. Häufig genug erinnert die Schule ja an ein Schlachtfeld.

Der Psychiater und Lernforscher Manfred Spitzer kann davon ein Lied singen:

 

Einspielung 2  Spitzer

„Wir haben in Deutschland mehr psychosomatische Klinikbetten als der Rest der Welt. Und in der Hälfte dieser Betten liegen Lehrer. Wenn sie 20 Jahre auf verlorenem Posten kämpfen, dann gehen sie kaputt dabei.“ 

 

Aber Lehrer sind natürlich nicht nur Opfer. Lehrer verkörpern die Schule, ja man muss sagen, sie repräsentieren die Welt gegenüber der nächsten Generation. Was also ist ein guter Lehrer, fragen wir den Psychiater, Hirn- und Lernforscher Manfred Spitzer.

 

Einspielung 3  Spitzer

 Als Psychiater kann ich etwas ganz einfaches dazu sagen: es gibt Psychotherapieforschung: die Therapie wird was, wenn Therapeut und Patient schon in den ersten Stunden zueinander finden, wenn sie ein tragfähiges Bündnis aufbauen und emotional positiv zueinander eingestellt sind. Ich bin mir sicher, das ist in der Schule nicht anders.

Ich habe Kinder, ich bekomme das erzählt  ha, ha, jetzt habe ich euch wieder mal eins rein gewürgt. Oder gar, wenn ein Lehrer eine Arbeit schreiben lässt und dann schreibt ein Drittel der Klasse eine sechs. Was denkt sich der Lehrer eigentlich?