Bringt viel Geld auf die Bildungsbank, es lohnt sich

23.11.2012 | 18:47 | BERNADETTE BAYRHAMMER (Die Presse)
Pädagoge und Filmemacher Reinhard Kahl über Schulen für Träumer, Freude als Produktivkraft und den Unterschied zwischen Schlecker und DM.

Die Presse: Das Bildungssystem wird laufend kritisiert. Sie zeigen dagegen in Ihren Filmen, dass Schulen sehr wohl gelingen können. Wie denn?

Reinhard Kahl: Indem jede dieser Schulen auf ihre eigene Weise gelingt. Jede darf und soll ihre eigene Geschichte, ihre Biografie haben. Jede soll den Mut haben, eine lernende Organisation zu werden. Das bedeutet, dass sie sich nicht als Ausführungsorgan versteht. Denn einfach Blaupausen zu kopieren, egal ob die von irgendeinem Ministerium erdacht wurden oder von einem Nobelpreisträger – das geht nicht.

Was für Schulen gilt, kann man auch auf Schüler umlegen, Stichwort Individualisierung. Das scheint derzeit das Zauberwort in der Debatte zu sein. Zunächst ist Individualisierung die Entdeckung von etwas ganz Selbstverständlichem. Nämlich, dass alle Menschen auf ihre Weise lernen, dass keiner wie ein anderer ist. Das weiß man ja nun wirklich. Es ist für die Schulen aber deshalb eine große Entdeckung, weil sie die Tradition haben, dass die Kinder sozusagen im Gleichschritt durch die Jahrgänge marschieren. Dass sie normiert und wie leere Fässer angefüllt werden. Genau das ist Lernen aber nicht: Es ist das Anknüpfen an sich selbst, um sich mit der Welt zu verbinden.

Sie kritisieren den Gleichschritt, in Österreich klagen viele, dass sich die Schule am
Durchschnitt orientiere. Es gibt einen schönen Satz des Philosophen Immanuel Kant: Der Mensch ist ein krummes Holz. In den Schulen versuchte man bisher, und leider überwiegend immer noch, dieses Holz gerade zu hobeln. Und dann bleibt davon nicht viel übrig. Man muss auch Ecken und Kanten zulassen. Dazu gehört auch, dass Schulen Zugehörigkeit versprechen, wie in Skandinavien. Man sucht nicht nach den blinden Passagieren, die dann von der höheren auf die niedrigere Schule verwiesen werden. Das fördert nur die Anpassung und das Gebluffe.

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