ZEIT online Taktisches Lernen

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Die Zeit – Wissen : Sieg des taktischen Lernens

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DIE ZEIT
Sieg des taktischen Lernens
Was Zentralabitur und Abiturstandards in Deutschland bewirken

Von Reinhard Kahl Nun ist es also gescheitert, nicht das Zentralabitur, wie viele Zeitungen schreiben, sondern das Vorhaben eines zentralen Zentralabiturs. Vierzehn von sechzehn Bundesländern haben ihr Zentralabitur nämlich bereits eingeführt. Schleswig-Holstein kommt im nächsten Jahr dazu. Nur Rheinland-Pfalz macht nicht mit. Im Sommer hatte Bundesbildungsministerin Annette Schavan einheitliche Schulbücher verlangt und auch bundeseinheitliche Abiturprüfungen gefordert. Das gab Schlagzeilen. Flugs wurde das Thema auf die Tagesordnung der Kultusministerkonferenz gesetzt. Die konnte sich aber am 17. Oktober auf diesen Vorschlag nicht einigen. Statt des Bundesabiturs mit einheitlichen Aufgaben werden nun die EPA, die ,,Einheitlichen Prüfungsanforderungen“, der Kultusministerkonferenz zu Bildungsstandards für das Abitur ausgebaut. Bei diesem Satz dürfte mindestens ein Drittel der Leser sein Interesse verloren haben. Mit EPA und Bildungsstandards sind wir Mitten in der bizarren Eigenwelt der Kultusminister, die mit ihren Ritualen und Fetischen Wichtigkeit inszenieren, tatsächlich aber damit das neu erwachte Interesse an Bildung einschläfern. So viel noch zum Beschluss der Minister. Die Standards sollen vom Schuljahr 2010/2011 an gelten. Solange braucht es zu formulieren, was Abiturienten wissen und können sollten und die Gremien der sechzehn Bundesländer mit viel Papier zu beschäftigen. Bis dahin müssen auch sechzehn um Aufmerksamkeit kämpfende Ministerstimmen synchronisiert werden. So ist es, wenn Berge kreißen und eine Maus gebären. Denn eigentlich ist Zentralabitur oder kein Zentralabitur gar nicht die Frage. Es kommt in der Bildung zumeist nicht so sehr darauf an, was gemacht wird, sondern wie es gemacht wird. Gerade an Prüfungen wird das deutlich. Werden schon die Schulreifetests der Fünfjährigen von der ganzen Familie als erste angstbesetzte Hürde erlebt? Wird das Lernen in der Grundschule von der Entscheidung Gymnasium ja oder nein überschattet? Und erleben die Schüler weitere Prüfungen in der ,,höheren Schule“ als die Suche nach den blinden Passagieren, die von Bord sollen? In diesem Umfeld wird am Ende das Zentralabitur ebenfalls Furcht einflößen. Man kann Prüfungen auch ganz anders verstehen, als einen Spiegel, in dem die Schüler sich erkennen. Lernen als Umwandelung des Mangels in Stärken. Aber das geht nicht, wenn Schüler meinen, ihre Schwächen verbergen zu sollen. Wie können also Prüfungen das Engagement fürs Lernen steigern? Können sie dazu beitragen, Lernen zum großen Projekt des eigenen Lebens zu machen? Prüfungen dieser Art gehören nicht zum Kern unserer Tradition. Im Gymnasium sind die Schüler in den vergangenen Jahrzehnten immer mehr zum taktischen Lernen übergegangen. Die erste Welle ging in den 70er Jahren vom Numerus Clausus aus. Die

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19.10.2007