ZEIT online Die deutsche Angst vor der Schule

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Die deutsche Angst vor der Schule
Einschulung bereits mit vier, schlägt Bundesbildungsministerin Anette Schavan vor und stößt damit auf nahezu einhellige Ablehnung. Dabei würde sich die Debatte lohnen VON REINHARD KAHL

„Die Kinder haben ein Recht auf ihre Kindheit,“ erklärt der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Ulrich Thöne wie ein Volkstribun und lehnt einen früheren und flexibleren Schulanfang kategorisch ab. Beginnt mit der Einschulung tatsächlich das Ende der Kindheit? Genau das ist offenbar immer noch die Überzeugung der meisten Deutschen. Man kann sie auf jedem Spielplatz hören. Sagt eine Mutter, wir schicken Laura nun doch schon mit fünf in die Schule, antwortet der Chor der Mütter und Väter: Ach, lass ihr doch noch ein Jahr Kindheit, der Ernst des Lebens kommt früh genug. Der Ernst des Lebens? Das ist eine Schule, in der das Lernen bald zur Prüfung wird. Der gefürchtete Ernstfall ist für die anspruchsvollen Eltern, keine Gymnasialempfehlung für ihr Kind zu bekommen. Mit zehn Jahren möglicherweise als zweit- oder drittklassig abgestempelt zu werden wird bald auch zur Angst vieler Kinder Es ist, als müssten sie von Anfang an schon fertig sein und sich bewähren, statt sich entwickeln zu dürfen. Studien verzeichnen bereits in der zweiten Klasse einen Einbruch der Lernlust, wo doch fast jedes Kind voller Vorfreude und Neugierde in die Schule gekommen ist. Und dieser Krampf soll nun schon mit vier beginnen? Selten wurde in Internetforen ein Politiker so beschimpft wie in diesen Tagen Annette Schavan, die Bundesministerin für Bildung und Forschung. Es begann am Freitag letzter Woche mit einer Online-Notiz des Hamburger Abendblatts zu einem Interview, das am Sonnabend im Blatt stand . Darin sagte die Ministerin, viele Kinder kämen in Deutschland zu spät in die Schule. „Am Ende der ersten Klasse haben sie dann keine Lust mehr, weil sie unterfordert sind.“ Schavans Konsequenz: „Keinen starren Stichtag.“ Die Zukunft liege in einer stärkeren Verbindung von Kindergarten und Grundschule. Dabei verwies sie auf Bildungshäuser in Baden-Württemberg . Mit dem Lernen solle jedenfalls früher begonnen werden, „etwa im Alter von vier statt erst mit sechs Jahren“. Nun lernen Kinder immer, das lässt sich nicht vermeiden. Aber wie lernen sie und wie entwickeln sie sich am besten? Und wie könnte Lernen in Bildungshäusern, Vorschulklassen oder in schulischen Lernateliers für die Jüngsten aussehen? An der Laborschule in Bielefeld, die seit mehr als 30 Jahren mit den Fünfjährigen anfängt und beste Erfahrungen macht, lässt sich einiges entdecken, besser noch in den Niederlanden oder in Neuseeland, wo Kinder ab vier in Schulen kommen.