Hamburger Abendblatt über „Treibhäuser der Zukunft“




Kultur / MedienTreibhäuser der Zukunft: Wo Schule noch funktioniert
Bildung: Es gibt sie doch, Schulen, die Spaß machen und Leistung bringen. Ein Film zeigt ansteckende Beispiele aus Deutschland

Von Ruth Kastner

Hamburg – Seit dem Pisa-Schock wird die Liste der Mängel im deutschen Bildungssystem rauf und runter diskutiert, verändert hat sich wenig. Aber der Schock hat zumindest den Blick geweitet auf andere Formen von Schule.

Wegweisende Beispiele hat jetzt der Hamburger Filmautor Reinhard Kahl in seinem Film „Treibhäuser der Zukunft. Wie Schulen in Deutschland gelingen“ zusammengetragen. Das Ergebnis ist so überzeugend, dass die vier politischen Stiftungen (Friedrich-Ebert, Friedrich Naumann, Konrad Adenauer, Heinrich Böll) gemeinsam zur Präsentation ins Zeise-Kino luden und den PISA-Erfinder Andreas Schleicher gleich dazu.

Kahls Film hat eine stimulierende Botschaft: Es geht also doch! Schule, die Spaß macht, Lehrer, die engagiert sind und Leistungen weit über dem Durchschnitt erzielen.

Was ist das Geheimnis dieser Schulen? Die Grundhaltung zunächst, dass jedes Kind so genommen wird, wie es ist. Nicht die im dreigliedrigen System angestrebte homogene Lerngruppe bringt die Schüler voran, vielmehr die heterogene, oft sogar altersgemischte Gruppe, in der die Großen den Kleinen auf die Sprünge helfen. „Es ist ein Vorteil, verschieden zu sein“, sagt Rektor Alfred Hinz von der Bodensee-Schule in Friedrichshafen.

Sämtliche im Film vorgestellten Schulen sind Ganztagsschulen, alle haben sich vom 45-Minuten-Takt der Schulstunde verabschiedet. Schüler wie Lehrer arbeiten überwiegend im Team, selbstständig. Schule ist keine Belehrungsanstalt, die ermüdet, („man kann keinen Einheitsbrei über alle Kinder gießen“), sondern ermöglicht aktives Erfahren, Erleben, Erlernen. Die Lehrer sind oftmals handverlesen, und sie sind alle bereit, ihren Arbeitstag ganz in der Schule zu verbringen. Keiner käme auf die Idee, einen Stress-Test zu verlangen.

Der Schulalltag ist klar strukturiert, Phasen konzentrierten Lernens wechseln mit Phasen von Bewegung und Spiel. Projektarbeit und vernetztes Lernen nehmen großen Raum ein. Nicht allein kognitives, sondern auch emotionales und soziales Lernen spielen eine große Rolle. „Lernen ist eine Aktivität des ganzen Menschen“, heißt es etwa in der Jena-Plan-Schule.

Zensuren spielen, wenn überhaupt, nur noch eine untergeordnete Rolle, ebenso nebensächlich werden Klassenarbeiten. „Problemkinder“ werden nicht aussortiert, sie werden mitgenommen.

Experten kommen zu Wort, Pädagogen wie Hartmut von Hentig, ein McKinsey-Berater, Hirnforscher und Psychologen. Alle stimmen einen Abgesang auf die deutsche Tradition des fragend entwickelnden Unterrichts an und plädieren für Schulen als Lebensorte, in denen die Lust auf Lernen gedeiht. So ein Film gehört ins Fernsehen – zur besten Sendezeit.

„Treibhäuser der Zukunft“ die 115-minütige Fassung gibt es als VHS-Video (15 Euro) und ab Oktober auch als Dreifach-DVD (29 Euro) mit ca. 14 Stunden Film, Interviews, Exkursen. Beides zu beziehen: Deutsche Kinder- und Jugendstiftung oder Beltz Verlag, www.dkjs.de oder Telefon 030/25 76 76 25 erschienen am 11. September 2004 in Kultur / Medien zurückLinks im WWW:
www.dkjs.de