Treibhäuser in Grimma Leipziger VZ & Brief

LVZ/Leipziger-Volkszeitung, 03.02.2005, S. 4
Ausgabe: LVZ-Muldentaler Kreiszeitung

Ressort: Muldentalkreis

Cornelia Killisch

Heute letztmalig: „Treibhäuser der Zukunft“
Schule zum Staunen im Grimmaer Kino


Grimma. Es ist wirklich ein besonderer Film: Der Eintritt ist frei, nur einer kommt mit einer Tüte Popcorn in den Saal und am Einlass begrüßt der Lehrer Roland Meister, der den Streifen „Treibhäuser der Zukunft“ nach Grimma geholt hat, die rund 90 Besucher der ersten von drei Vorstellungen in Grimma mit Handschlag – Lehrer, Eltern, einige Schüler.
Als es dann dunkel ist, geht immer wieder ein Raunen durch den Saal. „Treibhäuser der Zukunft“ zeigt Schulen, in denen die Kinder schon vor acht Uhr freiwillig arbeiten und wo niemand schummelt. Da ist etwa die siebente Klasse in einer Hauptschule und es ist tatsächlich Ruhe. Würde der Nachmittag in der Schule gestrichen, fänden die Kinder das „schlimm“. Die Lehrer verstehen sich als „Geburtshelfer“ und „Gastgeber“, die „keinen Einheitsbrei über alle gießen wollen, der die einen über- und die anderen unterfordert“. Nicht trotzdem, sondern deswegen haben die Kinder gute Leistungen. Und all das mitten in Deutschland.
„Das muss ich den Kollegen, Eltern und Schülern zeigen“, dachte sich Meister. Also klingelte er Sponsoren an, trug Plakate in Schulen und schrieb Rund-E-Mails. Schon länger treibt ihn die Frage um, warum es Lehrer und Schüler oft so schwer haben. Deshalb setzte er sich nach 25 Jahren Lehrdienst selbst noch einmal auf die Schulbank und begann ein Fernstudium „Schulentwicklung und Schul-Management“. – „Pisa hat gezeigt, dass die Schulen nicht so bleiben können“, sagt Meister.
Gern ins Kino gekommen ist Uta Schiebold, Leiterin der Grundschule „Bücherwurm“ in Grimma-West. In ihr Lob für den Film mischt sich auch ein bisschen Frust. „Man möchte so gerne, stößt aber an Grenzen wie Einstellungsstopps und knappe Kassen“, sagt sie.
Von dem Streifen begeistert ist Elisabeth Börger, die sich darüber ärgert, dass sich ihre fünf Kinder in der Schule so langweilen: „Noch viel mehr Eltern und Lehrer müssten sich diesen hervorragenden, anregenden Film ansehen und darüber sprechen, wie dies umgesetzt werden kann.“ Im März will Roland Meister deshalb zu einem Forum einladen. Cornelia Killisch
/ „Treibhäuser der Zukunft“, letztmalig heute 17 Uhr im Central-Theater Grimma
(c) Archiv – Leipziger Volkszeitung


 


1343869, LVZ , 03.02.05; Words: 359

Lieber Reinhard Kahl,
nach drei Aufführungen der „Treibhäuser der Zukunft“ im sächsischen Grimma möchte ich Sie an einigen Eindrücken aus diesen Veranstaltungen teilhaben lassen. Sie sollen von der Begeisterung wissen, die der Film bei vielen Zuschauern hier hinterlassen hat, wie auch von dem dringenden Wunsch, die Gespräche der Vorstellungstage in einen andauernden öffentlichen Diskurs über Notwendigkeiten schulischer Entwicklung überzuleiten.


In der vergangenen Woche sahen insgesamt etwa 190 Zuschauer aus Grimma und dem Umland Ihren Film. Die Aufführungen wurden möglich, nachdem es gelungen war, Fördermittel einzuwerben, die in ihrer Höhe den Betriebskosten des Filmtheaters für drei Aufführungen entsprachen. Als Sponsoren traten dabei die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, die PDS und die SPD in Erscheinung; die beiden erstgenannten Förderer waren zur Erstaufführung am Dienstagabend in Person ihrer Landesvorsitzenden Dr. Sabine Gerold bzw. der hiesigen Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz vertreten. Eine Woche vor dem ersten Aufführungstermin gingen A1-Plakate in die Schulen der Stadt und der näheren Umgebung, die Lokalzeitung veröffentlichte eine werbende Ankündigung, und auch das hiesige Muldental-TV nahm eine sehr ansprechende Ankündigung in seinen Nachrichtenblock auf.

Wer fühlte sich von diesen Bemühungen angesprochen? Den größten Anteil der Zuschauer machten interessierte Eltern aus, auch Schüler vor allem älterer Jahrgänge waren in nicht geringer Zahl vertreten. Dass – im Verhältnis zur Anzahl der Lehrer in den 14 eingeladenen Schulen – nur wenige Kollegen den Weg ins Kino fanden, soll hier nur als Tatsache benannt werden. Grundschullehrer waren noch am meisten vertreten, am wenigsten die Lehrer der Gymnasien.

Es war mir persönlich wichtig, Ihren Film hier in Grimma vorzustellen, illustriert er doch in wunderbarer Weise jene Einsichten eines notwendigen Lernkulturwandels, zu denen ich in den vergangenen zwei Jahren im Rahmen eines Aufbaustudiums „Schulentwicklung und -management“ an der Technischen Universität Kaiserslautern gelangt bin. Da ich mehrfach Gelegenheit hatte, mir Vorfassungen bzw. Teile des Films bereits im vergangenen Jahr anzusehen (u.a. im Rahmen von Tagungen an der Evangelischen Akademie Bad Boll), war der bundesweite „Startschuss“ Mitte Dezember 2004 für mich jenes Zeichen, um vor Ort die Organisation der Aufführungen in Angriff zu nehmen. Nun erlebe ich das Echo, das ich nach den drei Aufführungen wahrnehmen konnte, als reiche Ernte, die Ihnen zusteht und die ich mit Freude vermittle: Vor Begeisterung glänzende Augen bei den Besuchern des Films am Ende der Veranstaltungen waren nur eine Erscheinungsform dieses Echos. Eine andere: Die Frau des hiesigen Gemeindepfarrers ließ mir am Folgetag ein Buch zukommen, das einige Ihrer Filmthesen wohl untermauern kann (Jesper Juul: Das kompetente Kind, Rowohlt, 1997). Oder: Am Morgen nach der Grimmaer Erstaufführung klingelten zwei Abiturientinnen an meiner Tür und hatten das offensichtliche Bedürfnis, mit mir über den Film zu reden.

Der Gesprächsbedarf ist groß. Ich hatte in meiner Begrüßung zu den drei Aufführungen zunächst dafür geworben, mit denjenigen zu sprechen, die Entwicklungen an den Schulen befördern können: Eltern mit den Lehrern, Lehrer mit den Schülern, Schüler mit den Schulleitern, Eltern mit ihren Kindern …, immer auch andersherum. Auf großes Interesse stieß die ebenso formulierte Absicht, nach den Winterferien den Gesprächsbedarf dieser Abende aufzugreifen und – zunächst für einen Abend – ein moderiertes Forum zu veranstalten, in dem Fragen weiterbearbeitet werden können, die in der Auseinandersetzung mit dem Film entstanden sind. Natürlich ahnen Sie, was jetzt kommt: Ja, ich möchte Sie zu diesem Forum nach Grimma einladen, gern auch für einen ganzen oder halben Tag. Vielleicht wäre es für Sie von Interesse, etwas mehr über Veränderungen in unserer vor den Toren der Stadt Leipzig gelegenen, also suburbanen Bildungslandschaft zu erfahren. Im Forum selbst würden Sie auf ein Publikum treffen, das durch die bereits stattgefundenen Aufführungen „aufgeklärt“ ist. Wir denken auch daran, weitere Akteure Ihres Films zu einer solchen Veranstaltung einzuladen: Vor allem inhaltlich, aber auch geografisch lägen für eine solche Absicht die Kollegen aus Jena wohl am nächsten.

Lieber Herr Kahl,
auch persönlich möchte ich Ihnen für Ihre Arbeit danken. Ihr Film klärt auf, stiftet Hoffnung und regt zu Initiativen an. Es ist gut zu wissen, dass Sie an Fortsetzungen Mut machender Bilder arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen
Roland Meister.    

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Lieber Herr Kahl,
vielen Dank für Ihre prompte Reaktion. Gern können Sie meinen Brief in Ihre Homepage einstellen.

Ihnen einen schönen Sonntag!
Roland Meister.