Nachlese HH Bildungsdiskurs mit Peter Haase

Mi 24. Januar 2007 | Gespräch

Hamburger Bildungsdiskurs:
Welche Bildung braucht die Wirtschaft?

Die Fakten zum Auftakt des Hamburger Bildungsdiskurses 2007 klangen alarmierend: 15 bis 20 Prozent der Jugendlichen seien nicht mehr ausbildungsfähig, hinsichtlich Sozialverhalten und Leistungsbereitschaft auch nicht mehr integrierbar. Internationale Vergleiche hätten gezeigt, so Dr. Lothar Dittmer, in der Körber-Stiftung für den Bereich Schule und Hochschule verantwortlich: »Das deutsche Bildungssystem ist längst nicht mehr das Maß aller Dinge.«

Auf der Suche nach Antworten auf die Bildungsmisere höre man seit Jahren »interessante Töne aus Handwerk und Industrie«, so Dittmer weiter. Ganz nach dem Motto: Lieber früh investieren, statt spät reparieren. Wie derartige Investitionen berufsbezogener Bildung heute aussehen, darüber sprach Reinhard Kahl im KörberForum mit seinem Gast Peter Haase, dem langjährigen Geschäftsführer der Volkswagen Coaching GmbH.

»Wir haben angesichts der heutigen Wissensexplosion gerade mal eine Halbwertszeit von sechs Monaten«, betonte Haase, in der neue Erkenntnisse zum Tragen kämen. Schon heute müsse ein Großteil der Arbeitnehmer ein Viertel seiner Arbeitszeit für Weiterbildung verwenden. Durch Spezialisierung atomisiertes Wissen müsse dann durch neue Formen der Führung und der Zusammenarbeit in den Unternehmen wieder zusammengeführt werden.

Dabei habe das asymmetrische Modell ausgedient. Alles selber zu machen und Wissen – auch zum Puschen der eigenen Karriere – vorzuenthalten, führe nicht zum Erfolg. Die symmetrischen Strukturen des Zusammenspiels seien heute gefragt, betonte Haase. Schon in den achtziger Jahren hätten die Ausbildungsplaner in der Industrie erkannt, dass wir mehr derartige symmetrische Strukturen brauchen.

Als einfaches Beispiel verwies Haase auf die »runden Tische« in den Lehrwerkstätten. »Man sieht sich dabei an, und nicht allein in die Ferne.« Dieses fördere die Kommunikation und dadurch auch den Lernprozess. »Jugendliche lernen schneller von ihren Altersgenossen, als vom Lehrer.« Durch derartige Veränderungen seien oftmals die nicht mehr so stark gefragten Ausbilder zum eigentlichen Problem im Ausbildungsprozess geworden.

Nach seiner »Traumschule« befragt, wünschte sich Haase eine saubere Schule, in der noch gegrüßt wird. Ordnung und Höflichkeit seien Voraussetzungen für entspannendes Lernen. Darüber hinaus solle der Schulleiter mit seinen Lehrern nicht nur symmetrische Strukturen pflegen, es müsse für die Schüler neben der Vermittlung grundlegender Kulturtechniken vor allem viel Raum zum Experimentieren und zum Ausprobieren in der Praxis geben. Doch hier engten die Lehrpläne die Lehrer oft zu sehr ein.

Abschließend unterstrich Haase noch einmal das durch die Praxis erworbene Erfahrungswissen. »Darauf legt die geschäfts- und arbeitsprozessorientierte Berufsausbildung viel Wert.« Dafür sei eine frühe Integration in die Arbeitswelt nötig. So lerne der Auszubildende Nahtstellen, Zusammenhänge und das Funktionieren von Prozessen kennen. Diese Erfahrung sei eine wichtige Voraussetzung, um anschließend mit der Ausbildung in die Tiefe zu gehen.