Hamburger Bildungsdiskurs mit Bernhard Bueb

Jugendliche brauchen Gemeinschaft«

Bernhard Bueb (li.) im Gespräch mit Reinhard Kahl
Bernhard Bueb (li.) im Gespräch mit Reinhard Kahl

Manche jener Schüler, die er mit dem Abitur am liebsten »zum Mond geschossen hätte«, seien später »fabelhafte Menschen« geworden, erinnerte sich Bernhard Bueb beim Gespräch mit Reinhard Kahl im KörberForum. Und viele der vermeintlichen Hoffnungsträger hätten sich in den späteren Jahren »eher langweilig« entwickelt. Auch er, so Bueb, habe sich eher als klassischer Schulversager empfunden, aber gelernt, sich andere zum Abschreiben der Hausaufgaben gefällig zu machen – eine Fähigkeit, die ihm später, als Leiter der Internatsschule Schloss Salem bei der Einwerbung von Geldern durchaus geholfen hätte.

Bernhard BuebBeide Diskutanten begaben sich »auf die Suche nach der guten Schule« und kamen rasch überein, dass dieses ein Ort ist, an dem sich Lehrer um die Schüler kümmern und ihnen über die Schulerfahrung hinaus vor allem viel Lebenserfahrung bieten. Dazu gehöre auch die Vermittlung solcher Werte wie Zivilcourage und Nächstenliebe, so Bueb, Lernziele, die nicht im Lehrplan stünden, aber von den Lehrern vorgelebt werden sollten. Dieses sei natürlich eher durch das ganztägige Zusammensein an Internaten möglich. Bueb unterstrich seine Auffassung mit einem Zitat des Pädagogen Friedrich Fröbel, den Gründer der Kindergärten, für den »Erziehung Liebe und Vorbild war und sonst nichts«.

Gemessen an dieser Idealvorstellung bot der reale Schulalltag viel Anlass zur Kritik. Es sei erstaunlich, wie viel Unterrichtsstoff durch die Schüler einfach hindurchriesele, so Kahl, und wie wenig die Schulen sich bei ihrer Vermittlung selbstkritisch beobachteten. Schüler hätten eine »Sehnsucht nach Autorität und Disziplin« betonte Bueb, aber: »Beides geben wir ihnen nicht.« Für den ehemaligen Leiter der Schule Schloss Salem führt der Weg zur Selbstdisziplin über die diese Disziplin. Sein Vorwurf: »Wir leiden unter einer zu starken Psychologisierung der Pädagogik. Vieles würde leichter, wenn wir zu mehr Disziplin zurückfinden.«

Bernhard Bueb (li.) im Gespräch mit Reinhard KahlAls weiteres großes Defizit für Jugendliche nannte Bueb die fehlende Gemeinschaft. Hier müssten Schulreformen Abhilfe schaffen, doch in Deutschland würde immer erst über Bildungsstandards diskutiert, aber nicht an den Personen gearbeitet. Dass es auch anders geht, illustrierte Bueb mit Beispielen aus seiner Internats-Praxis. Hier wird nicht nur Engagement in Bereichen außerhalb des Unterrichts erwartet, 14 Tage gemeinsame Erfahrungen mit der Klasse »in der Wildnis« gehörten ebenso zum Pflichtprogramm. »Je anstrengender, desto begeisterter kamen die Schüler zurück.«

»Der Königsweg der Bildung geht über das Spiel«, betonte Bueb weiter. Sport, Theater, Musik und Tanz förderten viele jener menschlichen Fähigkeiten, die auch sonst im Leben wichtig seien. Doch die Schüler seien bis heute noch nicht aus ihrem akademischen Gefängnis befreit worden. Eine »gute Schule« sei erst erreicht, »wenn sich Lehrer wohl fühlen und erfolgreich arbeiten können und wenn die Schüler das Gleiche sagen«.