Filmpremiere in Berlin:

. JULI 2004

Filmpremiere in Berlin: „Wie in Deutschland Schulen gelingen“

Kahls Film wird Schule machen: darin sind sich die meisten Besucher der Erstaufführung einig. Die zweistündige Version der Dokumentation sucht innerhalb der Bildungsreihe „Archiv der Zukunft“ nach Beispielen gelungener Ganztagsschulen – und wird an praktisch allen Schulformen fündig: an Gymnasien, Hauptschulen, Gesamtschulen, Internaten, Sportschulen und Grundschulen.

„Ich hoffe, dass aus dem Funken ein Feuer wird, das lange brennt“, sagte Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn wenige Augenblicke vor Beginn der Filmpremiere von Reinhard Kahls „Treibhäuser der Zukunft – Wie in Deutschland Schulen gelingen“. „Der Film zeigt ein beeindruckendes Porträt von Schulen, Ganztagsschulen, die gelingen“, erläutert Bildungsministerin Bulmahn. „Er“soll einer breiten Öffentlichkeit die Vision einer Schule als Lebensmittelpunkt zeigen“, so die Ministerin weiter. Schulen also, die „neue Kultur des Lernens“ vorleben. Für die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung betonte die Vorsitzende Heike Kahl die Bedeutung von Kahls Film: „Wir versuchen den Leuten zu zeigen, dass Licht in der Bildungslandschaft kommt.“ Verantwortung für den Umbau der Schulen in Deutschland trägt Heike Kahl zufolge aber nicht nur der Staat, sondern auch die Zivilgesellschaft: „Ich hoffe auf die Sogwirkung des Films“. „Treibhäuser der Zukunft“ kann ab September im Rahmen der Initiative „Archiv der Zukunft“ über die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung bezogen werden.


  
Vorstellung von Kahls Film „Treibhäuser der Zukunft – Wie in Deutschland Schulen gelingen“ am 1. Juli 2004 im Berliner CinemaxX                                                           

Licht für neue Schulen

Der Film, der bereits in einer Vorfassung auf der Startkonferenz zum Bundesinvestitionsprogramm im September 2003 gezeigt und der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert wurde, hat in der Bildungswelt große Erwartungen geweckt: Die Kino-Vorstellung im Berliner Cinemaxx mit rund 500 Sitzplätzen war bereits eine Woche zuvor restlos ausgebucht. An diesem Abend – 1. Juli – sind die Kinoränge gefüllt: Politiker, namhafte Bildungsfachleute, zahlreiche Pädagogen und Schülerinnen und Schüler sowie Journalisten im Cinemaxx. Sie vermitteln in Kinosaal 3 einen heiteren, zuversichtlichen Eindruck: viel Vorfreude auf den Film und konzentrierte Lebendigkeit sprudelt von den Kinorängen.

„Der Film möchte den Erreger einer ansteckenden Gesundheit einschleppen“, spricht Reinhard Kahl per Mikrofon in den bereits halb abgedunkelten Kinoraum. Kino ist immer auch ein Raum für Wunscherfüllungen. An diesem Abend werden nicht Wünsche genährt, sondern die Hoffnung erfüllt, dass die Schulen der Zukunft bereits Wirklichkeit geworden sind. „Dabei wurde mir bewusst, welche große Bedeutung die Bilder hinter den Bildern haben“, so Kahl weiter. Der Film soll die kollektiven Fantasien von gelingenden Bildungshäusern ansprechen, er möchte Ganztagsschulen zeigen, die Vorbilder sind. Gute Beispiele eben, die in den Köpfen der Menschen weiterleben und ihnen „Mut zur Veränderung machen“, sagt Kahl.



Vorfreude auf den Film

Die Saat guter Schulen
 

Dunkelheit im Kinosaal: Die Suche von Kahl nach gelingenden Ganztagsschulen beginnt mit einer Kameraeinstellung auf eine öffentliche Uhr am Kirchturm. Alle klassischen Zeit- und Raumvorstellungen – so Kahls Kommentar im Off – werden an den Schulen der Zukunft aufgebrochen. Die Kamera macht an einer Baustelle Halt: eine Schule wird gebaut. Bauarbeiter füllen das Fundament des zukünftigen Gebäudes mit Zement. Die Bilder sind auf behutsame Weise mit Musik von Nyman unterlegt. Die Filmmusik dieses Komponisten steht „symbolisch für Aufbruch und sie soll vorantreiben“, sagt Kahl.

Der Überraschungscoup des Films: Die „Treibhäuser der Zukunft“ gibt es nicht in einem fernen El Dorado, sondern sie blühen mitten unter uns, mitten in Deutschland – in West und Ost, Nord und Süd. Dazu Elisabeth von Thadden in der Zeit vom 1. Juli 2004: „Kahl macht den Ideologen gut gelaunt einen Strich durch die Rechnung, denn alle Schultypen sind dabei, aus allen Teilen des Landes: die evangelische Ganztags-Gesamtschule Gelsenkirchen; ein bayerisches katholisches Gymnasium; eine Jena-Plan-Schule, die in Jena von der Vorschule bis zum Abitur führt; die Bodenseeschule, eine Grund-, Haupt- und Werkschule in Friedrichshafen; die Montessori-Schule in Potsdam; die multikulturelle Brennpunkt-Schule Max Brauer in Hamburg. Alles dabei.“

Neue Schulkulturen entdecken

Kahls Film ist alles, nur kein Märchen aus 1001 Nacht. In 115 kurzweiligen Minuten entwickelt er die Vision einer neuen Schul- und Lernkultur in Deutschland, die ja bereits an einigen Orten Wirklichkeit geworden ist – von den Schülerinnen und Schülern selbst gestaltete Wirklichkeit. Diese mit Bedeutung und Lust am Lernen aufgeladenen Orte sollen Erreger einer Schulkultur werden, die die Individualität der einzelnen Schülerinnen und Schüler anerkennt, so wünscht es Kahl: „Je mehr Zeit eine Schule hat, desto unvermeidlicher wird die Frage nach ihrer Kultur,“ kommentiert Kahl im Off. 

Der Ursachenforschung mit Hartmut von Hentig, Elsbeth Stern, Hirnforscher Manfred Spitzer oder PISA-Koordinator Andreas Schleicher, die gravierende Mängel im deutschen Bildungssystem diagnostizieren, stellt Kahl Beispiele gelungener Ganztagsschulen in Deutschland gegenüber. „Taylorisierte Belehrungsanstalten“, die die Schülerinnen und Schüler auf eine monotone Arbeit in der Industriegesellschaft vorbereiteten werden durch zukunftsfähige Schulen abgelöst. Kahl kommentiert: „Lernen gerät in die Nähe von Fronarbeit. Immerhin verhalf diese Schule, die das eigene Leben auf eine ferne Zukunft vertröstet, der deutschen Wirtschaft an die Weltspitze. Im Übergang zur Wissensgesellschaft wird eintönige Arbeit an Maschinen delegiert. Den Unternehmen bleibt nichts anderes übrig, als lernende Organisation zu werden. Menschen müssen eigene Ideen mit ins Spiel bringen“.

Zu schön, um wahr zu sein?

Kulturen des Lernens, die die Kreativität, Eigenverantwortung und den Eigensinn der Kinder und Jugendlichen fördern, entdecken die Zuschauer mit Kahl an der Bremer Grundschule Borchshöhe und der Jena-Plan-Schule: „Die Jena-Plan-Schule ist ein anziehender Ort geworden. Zu schön um wahr zu sein? Es ist wahr.“ Man erstaunt ob solcher Beispiele – immer wieder. Kahls Kommentare versuchen, die Zuschauer zu erden und Einwände von Kritikern zu überprüfen: Traut euren Augen, lautet seine Botschaft, schaut genauer, aber auch durchaus kritisch hin auf die guten Beispiele, statt nur die Misere an Deutschlands Schulen zu beklagen.

„Wir suchen nach Schulen, die gelingen, nach Lehrern, die sich trauen und nach Ideen, die bei Schülern zünden“, erläutert Kahl. Ein solches Biotop ist die „Bodenseeschule St. Martin“ in Friedrichshafen, die auch im Mittelpunkt des Filmes steht: „Die Grundschule ist die beliebteste weit und breit“. Wie gelingt es ihr zu gelingen?

Es gibt keine Fächer, dafür vernetzten Unterricht und altersgemischte Lerngruppen. Dabei traut man seinen Augen nicht: „Es ist noch keine acht Uhr – die Schüler arbeiten, als ginge es um sie selbst, einfach so, ohne Kommando, ohne Klingelzeichen oder auf den Schulgong zu warten“, so der Filmkommentar. Die Kinder sind in der 7 Klasse Hauptschule und finden eine vorbereitete Umgebung zum Lernen vor. Ihr Lehrer ist auch schon da, aber der wird kaum wahrgenommen, sondern ist „Gastgeber“  – im Hintergrund.

Spontaner Applaus während der Sequenzen von der Bodenseeschule zeigt, wie wirkungsvoll die Bilder von dem Lebensort Schule sind. Die Kinder, die auch noch sehr erfolgreich lernen, begreifen ihre Schule als Lebensort mit Ritualen, Regeln und Revieren. Kommentar: „Sie kultivieren Rhythmen“. Diese ermöglichen eine Balance zwischen kognitiven, emotionalen und sozialen Leistungen.



Rektor Alfred Hinz von der „Bodenseeschule St. Martin“

„Verschiedenheit anerkennen und Gemeinschaft kultivieren“

Die Rhythmisierung des Schultags ist ein Schlüssel für bessere Lernleistungen der Kinder und Jugendlichen an der Bodenseeschule: Arbeitsgemeinschaften gibt es bereits am späten Vormittag und Unterricht auch Nachmittags. Die Eltern interessieren sich für die Schule nicht zuletzt deshalb besonders stark, weil ihre Kinder an der Schule bessere Leistungen erbringen. Dazu der Kommentar: „Auf Bewertungen wird nicht verzichtet. Aber sie kommen von außen. Der Innenraum der Schule wird gedehnt, die Köpfe klarer, das Lernen wird nachhaltiger“.

Dementsprechend nennt Kahl die Rhythmisierung auch den „vierten Pädagogen“.
Schloss Salem bei Friedrichshafen, die evangelische Ganztagsgesamtschule in Gelsenkirchen, das Ganztagsgymnasium Klosterschule, die Montessori-Gesamtschule in Potsdam, die Friedrich-Ludwig-Jahn-Schule (ein Leistungszentrum für Sport) und die multinationale Max Brauer Schule in Hamburg: Allen gemeinsam ist ihnen trotz ihrer Verschiedenheit das Gelingen von Leben und Lernen an einem geschützten Ort: „Verschiedenheit anerkennen und Gemeinschaft kultivieren, das ist die Basis für exzellente Leistungen“. Kahls Film endet mit dem ermutigenden Befund: „Der Umbau der deutschen Schulen hat begonnen“.

Die Zustimmung, die „Treibhäuser der Zukunft“ bei den Zuschauern auslöst, ist groß: starker Applaus von den Kinorängen – und noch ehe die Lichter wieder angehen, haben die Bilder von gelingenden Schulen bei den Zuschauern der Filmpremiere viel Bedarf zum Dialog freigesetzt.

Hartmut von Hentig: „Mich beglücken diese Bilder von Kindern“

Ein Versammlung illustrer und überaus anregender Gäste findet sich zum Gespräch in der Film-Lounge zusammen: Neben Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn und dem brandenburgischen Kultusminister Steffen Reiche sind Hartmut von Hentig, Elsbeth Stern, Heike Kahl, aber auch viele Protagonisten des Film zugegen.

Große Freude über den Film zeigte die graue Eminenz der Pädagogik, Bildungsforscher Hartmut von Hentig. Ihm widmete Kahl kurz vor der Kinovorstellung den Film unter eine Bedingung: er müsse ihm auch gefallen. Hartmut von Hentig: „Mich beglücken diese Bilder von Kindern: Die Aufnahmen sind so genial wie der Kommentar des Films“. „Der Film“, ergänzt der charismatische Bildungsexperte, „kann in die Geschichte der Pädagogik eingehen“. Hartmut von Hentig nimmt die Widmung freudig an, nur der Titel des Films – merkt er kritisch an – sei viel zu künstlich.

Kognitionspsychologin Elsbeth Stern lobte die Weitsicht des Films: „Wir müssen eine neue Idee von Schule haben“. Der Film – so Stern weiter –“weckt positive Emotionen, ohne zu idealisieren“.



Bildungsforscher Hartmut von Hentig im Gespräch mit Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn

„Der Film wird eine Bibel der Reformpädagogik“

Für Jean-Pol Martin, der Didaktik der französischen Sprache und Literatur an der Universität Eichstätt lehrt, hat der Film einen Meilenstein gesetzt: „Der Film wird eine Bibel der Reformpädagogik: sehr gut gemacht, sehr einfühlsam und tiefgehend – und er macht Lust auf Nachahmung“. Martin, der in „Treibhäuser der Zukunft“ ein innovatives Modell für Unterricht vorstellt – Schülerinnen und Schüler als Lehrende – wünscht sich außerdem, dass in der Schule kommuniziert werde wie im Internet: „Das Internet bringt alle Menschen zusammen, und es funktioniert wie ein Gehirn“. Darin war er sich mit dem Kommunikationswissenschaftler und Zukunftsforscher Heiner Benking vom Open Forum einig, der in Kahls Film ein großes Potential erblickte: „Der Film rüttelt auf und macht wach“.

Farah Lenser, ebenfalls vom Open Forum, wurde von „Treibhäuser der Zukunft“ geradezu überwältigt: „Ich war immer gegen Ganztagsschulen, weil ich mich an die eigenen Schulerlebnisse erinnert fühlte. Das so was möglich ist, hat mich überwältigt“, so die Kommunikationstrainerin.

Ganztagsschulen unumkehrbar

„Kahl hat bei den Leuten Vertrauen geweckt: Sie sind ein Spiegelbild seiner selbst geworden“, erklärt Hans-Konrad Koch, Leiter der Unterabteilung Bildungsreform im Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Große Wirkung von „Treibhäuser der Zukunft“ versprechen sich auch Ute Busch und Ruben Herzberg vom Ganztagsgymnasium Klosterschule: „Mich hat die Hingabe beeindruckt, mit der die Kinder und Jugendlichen ihre Schulen gestalten“, so Busch, die auch stellvertretende Vorsitzende des Hamburger Ganztagsschulverbandes ist. „Der Film bietet unglaublich viele Anregungen für Experten: er sollte in Kinos laufen und einer interessierten Öffentlichkeit gezeigt werden“.



Ute Busch und Ruben Herzberg von „GanztagsGymnasium Klosterschule“ in Hamburg nach der Kinovorstellung

Ruben Herzberg fügt hinzu: „Wichtig ist die Botschaft, dass die neuen Schulen nicht nur attraktiver, sondern auch erfolgreicher sind“. Ginge es übrigens nach Ute Busch würde der Film möglichst vielen Politikern gezeigt. „So kann er mehr Wirkung entfalten“. Für Ruben Herzberg hat Kahls Film außerdem gezeigt, dass Ganztagsschulen praktisch unumkehrbar geworden sind. „Es gibt keine gesellschaftliche Gruppe mehr, die behauptet, dass Ganztagseinrichtungen vom Teufel wären“, erinnert Herzberg. „Der Film sollte in vielen Lehrerbildungseinrichtungen vor Ort gezeigt werden“.

Da passt es gut, dass Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn von Kollege und Kultusminister Steffen Reiche aus Brandenburg das Versprechen erhielt, er wolle Kahls „Treibhäuser der Zukunft“ seinen Schulleiterinnen und Schulleitern vorstellen.

 

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EXTERNE LINKS

Deutsche Kinder- und Jugendstiftung
www.dkjs.de/

Reinhard Kahl
www.reinhardkahl.de/

INTERNE LINKS

Ganztagsschultour Rheinland-Pfalz
Buhlmann in Rheinland-Pfalz

Ein Gespräch mit Reinhard Kahl
„Wir haben Schulen, die gelingen“

Kahls Kurzfilm „Treibhäuser der Zukunft“
Begeisterung, die begeistert

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