Gedenke zu leben
Über Goethe und das Glück.
10.05. 17:00 (Hutkasse)

Erweise Dich wie neugeboren“  Goethe

Goethe – ein altes Eisen?  Es glüht! Der Alte könnte als Navigator aus der Industriegesellschaft gebraucht werden, meint  Manfred Osten, denn Goethe ist ein Meister darin ganz gegenwärtig zu sein. Das Leben nicht aufzuschieben! In der Gegenwart Herkunft und Zukunft zu verschränken! Die Dinge flüssig sein zu lassen und nicht im Entweder/Oder zu verdinglichen und zu zerreißen!

Dabei ist Goethe kein Schönwettergott: „Wer nicht verzweifeln könne“, schrieb er einem Freund, „müsse nicht leben“. Aber auch für den schlimmsten aller Fälle gilt: „Und fällt der Himmel ein, kommt doch eine Lerche davon.“

Manfred Osten ist ein unvergleichbarer Mäeut für Goethes Wiedergeburt. (So wie  Sokrates sein Denken als Mäeutik / Hebammenkunst verstand.) Nach seinem Buch „Alles veloziferisch“ über Goethes Entdeckung der Langsamkeit, hat er nun „Gedenke zu leben! Wage es glücklich zu sein“ (Wallstein) geschrieben.

Worin besteht Goethes Aktualität? Die industrielle Revolution, schreibt Osten, verengte „das Bewusstseins in Richtung einer Wachstums- und Fortschrittssorgen gespeisten Zukunft.“ Bei Goethe finden wir Haltungen auf die eine Postwachstumsgesellschaft setzen sollte.

Das Wagnis zu leben und glücklich zu sein verlangt als Mindesteinsatz den Abschied von Perfektion: „Ganz resolut und wacker seht ihr aus / Kommt nur nicht absolut nach Haus“ (Faust II).

Manfred Osten promovierte 1969 „Über den Naturrechtsbegriff in den Frühschriften Schellings“. Im selben Jahr trat er in den Auswärtigen Dienst ein, wo er in deutschen diplomatischen Missionen in Paris, Kamerun, Tschad, Australien und Japan tätig war. Zwischenzeitlich stand er im Ministerium in Bonn unterschiedlichen Referaten vor („Südliches Afrika“, „Dritte-Welt-Politik“ oder „Osteuropa“). Von 1995 bis 2004 war er Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung. Er publiziert vor allem kulturwissenschaftliche und kulturhistorische Werke und ist ein Goethe-Kenner par excellence. Eine besondere Nähe hat Osten während seines Berufslebens zu Japan entwickelt. Ein wunderbarer Ausdruck der intensiven Bindung zu dem Land, seiner Kultur und seinen Menschen ist die Porträtsammlung über zwölf Schriftsteller des Landes, die Osten unter dem poetischen Titel „Die Erotik des Pfirsichs“ (Suhrkamp) veröffentlichte. Bekannt wurde durch seine Essays: Alles Velofizerisch, Die Kunst Fehler zu machen, Das geraubte Gedächtnis“ und sein jüngstes Buch Gedenke zu lebenÜber Goethe und das Glück(alle im Insel Verlag oder bei Wallstein. Manfred Osten ist häufiger Gast in der Interviewsendungen von Alexander Kluge