Besser, nicht gut (OECD Studie) DIE ZEIT

DIE ZEIT


38/2005 

Besser, nicht gut

Deutschland investiert mehr in die Bildung, fällt jedoch im internationalen Vergleich weiter zurück

Die gute Nachricht: Deutschland robbt sich im internationalen Bildungsvergleich in einigen Bereichen nach oben. Die schlechte: Es geht nur sehr langsam voran. Das zeigt die am Dienstag veröffentlichte Studie Bildung auf einen Blick. Die jährlich erscheinende Studie wird von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) herausgegeben, einer Denkfabrik von 30 Industrieländern.

Zu den guten Nachrichten gehört, dass in Deutschland die Zahl der Studienanfänger gestiegen ist, von 28 Prozent eines Jahrgangs im Jahr 1988 auf 36 Prozent 2003. Aber dieser Anteil liegt immer noch unter dem Durchschnitt der OECD-Staaten. In Schweden, Finnland und Polen etwa beginnen mehr als 70 Prozent der jungen Leute eines Jahrgangs ein Studium.

Kritiker werfen den Autoren des Zahlenwerks vor, sie verglichen Äpfel mit Birnen, etwa ausländische Berufsbildungskurse mit deutschen Universitätsstudiengängen. Aber je feiner die Statistik wird, desto weniger verfängt dieser Einwand. Nimmt man etwa die hierzulande besonders geschätzten Studiengänge mit einer Dauer von fünf bis sechs Jahren, so liegen wir mit 12,5 Prozent Absolventen im OECD-Mittelwert. Der wird allerdings von Mexiko und der Türkei ebenso bestimmt wie von den führenden Bildungsländern in Skandinavien und Asien.

Gestiegen ist hierzulande von 1998 bis 2003 auch der Anteil der Hochschulabsolventen: von 16 auf 19,5 Prozent eines Altersjahrgangs (OECD Mittel 32,2). Der Anteil von Frauen ist in allen natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern gewachsen. Lag er bei den Ingenieurwissenschaften 1998 noch bei 16, erreichte er 2003 bereits 22 Prozent. Im Schnitt aller Studienfächer erhöhte sich der weibliche Anteil in dieser Zeit von 43 auf 50 Prozent. Im OECD-Durchschnitt kletterte er von 53 auf 57 Prozent.

In der Spitzengruppe liegt Deutschland mit 2 Prozent bei den Promovierten, hinter Schweden (2,8), der Schweiz und der Slowakischen Republik (je 2,5). Hier wirkt noch die Tradition deutscher Universitäten. Aber in der Breite muss sich unserer Land abermals vorrechnen lassen, dass es in die Bildung zu wenig investiert. Deutschland nimmt von 28 verglichenen OECD-Staaten bei den Ausgaben den 20. Platz ein. 4,4 Prozent des Bruttosozialprodukts gehen ins Bildungssystem. Dänemark, Schweden und Belgien investieren mehr als 6 Prozent. Auch wenn man den Anteil von Ausgaben der Wirtschaft im dualen System hinzurechnet, bleibt die Summe öffentlicher und privater Investitionen in Deutschland mit 5,3 Prozent unter dem OECD-Mittel von 5,8 Prozent (USA: 7,2).

Die wichtigste Lektion über die enorm steigende Bedeutung der Bildung in Zeiten der Globalisierung ist den Deutschen längst noch nicht bewusst. »Bildung ist kein Kostenfaktor, sondern eine Investition«, wiederholt der für diese Statistiken bei der OECD verantwortliche Andreas Schleicher auch in diesem Jahr. Er kann vorrechnen, dass sich der Einsatz für Bildung höher verzinst als auf einem Bankkonto.

An den Tabellen lässt sich ablesen, dass viele Länder diese Chance erkannt haben. So sind in den OECD-Ländern die öffentlichen und privaten Bildungsausgaben zwischen 1995 und 2002 um 21 Prozent im Bereich der Schulen und um 30 Prozent in den Hochschulen gewachsen. In Deutschland lagen diese Steigerungsraten jedoch bei nur 8 und 10 Prozent. Wenn sich diese Schere bei den Investitionen in die Köpfe wirtschaftlich so auswirkt, wie es die OECD behauptet, kann man Angst bekommen.

Neu ist in Bildung auf einen Blick die Untersuchung der Weiterbildung. In Deutschland haben im Jahr 2003 lediglich 14 Prozent aller 25- bis 64-jährigen Beschäftigten an beruflicher Weiterbildung teilgenommen. In der OECD sind es 23 Prozent. In den Ländern, mit denen sich Deutschland vergleicht, etwa in Kanada, Großbritannien, der Schweiz, den Vereinigten Staaten oder den skandinavischen Ländern, bilden sich doppelt so viele Berufstätige weiter wie hierzulande.